[DH² Publishing]

Digitale Brennweite

Rauszoomen um den Bildwinkel zu ändern

Brennweite bleibt Brennweite

Auch im Zeitalter des Internet mit seiner riesigen Auswahl an Versandhändlern verschlägt es mich manchmal noch in den traditionellen Fotofachhandel oder die entsprechende Abteilung eines Elektronik-Discounters. Dabei höre ich gerne den Verkaufssgesprächen zu.

Während kaum jemand ernsthaft viel Fachwissen bei den schnell angelernten Aushilfskräften diverser M-Märkte – da gibt es mehr als eine Kette! – erwartet, suchen die meisten Kunden den Fotofachhandel auf, um gut beraten zu werden. Aber genau da hapert es doch immer wieder. Zum intellektuellen Schaden der Kunden, denen schlichter Blödsinn als tiefe Wahrheit angedreht wird, aber auch zum Schaden des Handels, der sich weitere Verkäufe entgehen lässt.

 

 

 

 

 

Warum Sie mit 200 mm an einer dSLR immer noch gefressen werden

Letzte Woche interessierte sich ein Kunde, der in einem angesehenen Fotogeschäft neben mir stand, für eine digitale Spiegelreflexkamera. Angeboten wurde ihm eine der letzten erhältlichen KonicaMinolta 5D, ein wirklich schönes Stück mit einigen interessanten technischen Details. Gleichzeitig fragte der potenzielle Käufer nach dem einen oder anderen Objektiv, mit der Absicht, möglichst nur ein oder zwei Zooms herum schleppen zu müssen.

Ich weiß nicht, inwieweit die neuen 10-fach Superzooms, die einen Brennweitenbereich von 18 mm bis 200 mm abdecken, optisch sind. Zumindest bei den Preisen, für die sie gehandelt werden und bei der Zusatzausstattung, die da manchmal drin ist (bei Nikon z.B. ein Verwacklungsschutz), ziehe ich zwei Zooms mit kleineren Bereichen vor. Für den normalen Hobby-Knipser sind die neueren optischen Rechnungen sicherlich sehr brauchbar.

Eine kleinere lichtsensitive Fläche vergrößert nicht die Brennweite!

Nicht sonderlich brauchbar war allerdings der Hinweis des Verkäufers, "durch den kleineren Sensor der dSLR verlängert sich auch die Brennweite Ihres Objektivs." Er fuhr fort, Lobpreisungen auf das angeblich nun vorhandene "400 mm Objektiv mit großer Anfangsöffnung" zu singen, "da müssen Sie nicht mehr so nah ran gehen …."

Es ist sehr schade, dass bisher noch niemand sich diese häufige Versprechung hat schriftlich und einklagbar geben lassen. Gerade für Hinterbliebene von Fotosafari-Urlaubern könnte das durchaus lohnend sein. Denn spätestens wenn der gläubige Käufer versucht, die hungrige Löwin mit Jungtieren in vernünftiger Größe auf seine Speicherkarte zu bannen, wird es eine üble Überraschung für Fotografen und Angehörige geben.

Die Brennweite eines Objektivs ist eine physikalische Größe, ausschließlich abhängig von Baulänge und Brechung der Linsen, es ist der Abstand zwischen dem Brennpunkt und dem zugehörigen Hauptpunkt auf der Linse (genauere Definitionen und Illustrationen finden Sie in jedem Physiklehrbuch im Kapitel Optik oder auch in der Wikipedia). Wollen Sie also ein Objekt "näher heran holen" – genau genommen, den Abbildungsmaßstab vergrößern – sind Sie gezwungen, tatsächlich näher ran zu gehen (bei gleicher Brennweite) oder das Objektiv zu wechseln.

Nun ist der Sensor einer dSLR meist wirklich kleiner als das herkömmliche Kleinbildfilmformat, für das immer noch die meisten Objektive berechnet sind. Muss sich da nicht irgendetwas ändern? Und sieht das fertige Bild nicht doch anders aus als bei einem Dia- oder Negativfilm?

Der Bildwinkel ist anders – eine Beschneidung in der Kamera!

Richtig, da ist etwas anders, nämlich der Bildwinkel, also das Feld, das wiedergegeben werden kann. Etwas verständlicher: Sie verlieren bei einer dSLR gegenüber einer Kleinbildkamera oben und unten etwas Luft. Das ist allerdings nur von theoretischem Interesse, da wohl kaum jemand eine SLR benutzt, um vorher mit Maßband und Rechenschieber auszurechnen, wie sein Bild aussehen soll. Der große Vorteil von Spiegelreflexkameras war immer schon, dass der Fotograf vor dem Abdrücken sieht, was er aufnimmt. Sie erreichen übrigens genau das gleiche, wenn Sie Ihr Dia oder Negativ einscannen, in einem Bildbearbeitungsprogramm laden und mit dem Freistellen- oder Beschneiden-Werkzeug die Ränder abschneiden. Oder wenn Sie mit der Schere dem Abzug auf den Leib rücken.

Übrigens, würde sich tatsächlich die Brennweite und damit der Abbildungsmaßstab ändern, wäre auch die Lichtstärke des Objektivs betroffen. Das fällt normalerweise nur bei der Makrofotografie auf, wo wir selbst bei hellem Sonnenschein schnell so viel Licht verlieren, dass wir einen Blitz einsetzen müssen, um keine Bewegungsunschärfe zu sehen. Mehr dazu in jedem guten Buch über Makrofotografie.

Ein weiteres Märchen, das gerne im Zusammenhang mit dSLRs verbreitet wird ist die Verdunklung des Sucherbildes durch den kleinen Aufnahmesensor. Naive Empirie scheint genau dies zu bestätigen, schauen wir durch das Okular beispielsweise einer D2x oder D200 von Nikon ist das Sucherbild eindeutig dunkler als bei einer Nikon FM. Das liegt hingegen nur mittelbar am Sensor, denn das Licht im Sucher kommt nicht von ihm, sondern wird bereits vorher durch den Umlenkspiegel dorthin geleitet. Ursächlich für die Lichtmenge im Sucher sind also: Umlenkspiegel, Bajonettöffnung, Prismen und Okular.

Kleinerer Spiegel = weniger Licht = dunkleres Sucherbild

Die Bajonettöffnung hat sich bei Nikon seit 1959 nicht verändert, die FM lässt also genauso viel Licht herein, wie eine D200. Über Okular und Prismen kann ich wenig sagen, die sind sicher unterschiedlich, ob allerings zum Nachteil der digitalen Kamera, wage ich zu bezweifeln. Der Spiegel aber, der ist bei den aktuellen Nikon Digitalkameras kleiner als bei herkömmlichen Kleinbildkameras – er ist kleiner, um im Sucher dasselbe Bild zu erhalten, das auch auf dem Sensor landet! Hätten alle Nikon dSLRs (und die meisten Konkurrenzmodelle) einen sogenannten Sportsucher, also einen Sucher, der erheblich mehr zeigt als aufgenommen wird, wären das Sucherbild ebenso hell wie bei Kleinbild-SLRs.