Vor einiger Zeit interessierte sich ein Kunde, der in einem angesehenen Fotogeschäft neben mir stand, für eine digitale Spiegelreflexkamera. Angeboten wurde ihm eine gute dSLR, ein wirklich schönes Stück mit einigen interessanten technischen Details. Gleichzeitig fragte der potenzielle Käufer nach dem einen oder anderen Objektiv, in der Absicht, möglichst nur ein oder zwei Zooms herumschleppen zu müssen.
Warum Sie mit 200 mm an einer dSLR immer noch gefressen werden
Nicht sonderlich brauchbar war allerdings der Hinweis des Verkäufers, “durch den kleineren Sensor der dSLR verlängert sich die Brennweite Ihres Objektivs.” Er fuhr fort, Lobpreisungen auf das angeblich nun vorhandene “400 mm Objektiv mit großer Anfangsöffnung” zu singen, “da müssen Sie nicht mehr so nah ran gehen ….”
Es ist sehr schade, dass bisher noch niemand sich diese häufige Versprechung hat schriftlich und einklagbar geben lassen. Gerade für Hinterbliebene von Fotosafari-Urlaubern könnte das durchaus lohnend sein. Denn spätestens wenn der Käufer versucht, die hungrige Löwin mit Jungtieren in vernünftiger Größe auf seine Speicherkarte zu bannen, wird es eine üble Überraschung für Fotografen und Angehörige geben.
Eine kleinere lichtsensitive Fläche vergrößert nicht die Brennweite!
Die Brennweite eines Objektivs ist eine physikalische Größe, ausschließlich abhängig von Baulänge und Brechung der Linsen, es ist der Abstand zwischen dem Brennpunkt und dem zugehörigen Hauptpunkt auf der Linse (genauere Definitionen und Illustrationen). Wollen Sie also ein Objekt “näher heran holen” – genau genommen, den Abbildungsmaßstab vergrößern – sind Sie gezwungen, tatsächlich näher ran zu gehen (bei gleicher Brennweite) oder das Objektiv zu wechseln.
Nun ist der Sensor einer dSLR meist wirklich kleiner als das herkömmliche Kleinbildfilmformat, für das immer noch die meisten Objektive berechnet sind. Muss sich da nicht irgendetwas ändern? Und sieht das fertige Bild nicht doch anders aus als bei einem Dia- oder Negativfilm?
Der Bildwinkel ist anders – eine Beschneidung in der Kamera!
Richtig, da ist etwas anders, nämlich der Bildwinkel, also das Feld, das wiedergegeben werden kann. Etwas verständlicher: Sie verlieren bei einer dSLR gegenüber einer Kleinbildkamera etwas Luft außen ums Objekt rum. Das ist allerdings nur von theoretischem Interesse, da wohl kaum jemand eine SLR benutzt, um vorher mit Maßband und Rechenschieber auszurechnen, wie sein Bild aussehen soll. Der große Vorteil von Spiegelreflexkameras war immer schon, dass der Fotograf vor dem Abdrücken sieht, was er aufnimmt. Sie erreichen übrigens genau das gleiche, wenn Sie Ihr Dia oder Negativ einscannen, in einem Bildbearbeitungsprogramm laden und mit dem Freistellen- oder Beschneiden-Werkzeug die Ränder abschneiden. Oder wenn Sie mit der Schere dem Abzug auf den Leib rücken.
Das Bild soll den Unterschied verdeutlichen. Während eine FX-Kamera wie die Nikon D3 oder eine klassische Kleinbildfilmkamera, das gesamte Motiv sieht, zeigt der markierte Ausschnitt, was beispielsweise eine Nikon D2x sieht. Daraus wird auch deutlich, wieso mancher meint, DX verändere die Perspektive im Bild, was auch nicht stimmt. Um allerdings das gleiche auf Sensor zu bannen, was Sie früher auf Film aufgezeichnet haben, müssen Sie tatsächlich etwas zurücktreten, was tatsächlich zur Veränderung der Größenverhältnisse im Foto führt.
Würde sich tatsächlich die Brennweite und damit der Abbildungsmaßstab ändern, wäre auch die Lichtstärke des Objektivs betroffen. Das fällt normalerweise nur bei der Makrofotografie auf, wo wir selbst bei hellem Sonnenschein schnell so viel Licht verlieren, dass wir einen Blitz einsetzen müssen, um keine Bewegungsunschärfe zu sehen. Mehr dazu in jedem guten Buch über Makrofotografie.
Das ganze können Sie übrigens sehr einfach selbst testen, wenn Sie eine dSLR mit unterschiedlichen Formaten haben, z.B. aus der Nikon D3-Serie, die so genanntes Vollformat [bei Nikon: FX], DX-/APS-Format und weiter anbieten. Montieren Sie die Kamera auf einem Stativ, stellen einen Bildauschnitt ein und machen Sie nun eine Aufnahme in FX, schalten Sie dann auf DX um, aber verändern Sie weder den Standort noch die die Brennweite, zoomen Sie also nicht und wechseln Sie nicht das Objektiv. Beim Vergleich zu Hause am Computer werden Sie sehen, dass sie zwar außenrum einiges verloren haben, die Größe der Objekte aber gleich geblieben ist.
Kleinerer Spiegel = weniger Licht = dunkleres Sucherbild
Ein weiteres Märchen, das gerne im Zusammenhang mit dSLRs verbreitet wird ist die Verdunklung des Sucherbildes durch den kleinen Aufnahmesensor. Naive Empirie scheint genau dies zu bestätigen, schauen wir durch das Okular beispielsweise einer D2x oder D200 von Nikon ist das Sucherbild eindeutig dunkler als bei einer Nikon FM. Das liegt hingegen nur mittelbar am Sensor, denn das Licht im Sucher kommt nicht von ihm, sondern wird bereits vorher durch den Umlenkspiegel dorthin geleitet. Ursächlich für die Lichtmenge im Sucher sind also: Umlenkspiegel, Bajonettöffnung, Prismen und Okular.
Die Bajonettöffnung hat sich bei Nikon seit 1959 nicht verändert, die FM lässt also genauso viel Licht herein, wie eine D200. Über Okular und Prismen kann ich wenig sagen, die sind sicher unterschiedlich, ob allerdings zum Nachteil der digitalen Kamera, wage ich zu bezweifeln. Der Spiegel aber, der ist bei den aktuellen Nikon Digitalkameras kleiner als bei älteren Kleinbildfilmkameras – er ist kleiner, um im Sucher dasselbe Bild zu erhalten, das auch auf dem Sensor landet! Hätten alle Nikon dSLRs (und die meisten Konkurrenzmodelle) einen sogenannten Sportsucher, also einen Sucher, der erheblich mehr zeigt als aufgenommen wird, wären das Sucherbild ebenso hell wie bei Kleinbild-SLRs.
Hallo Dierk,
ich denke, hier liegst Du falsch: Eine kleinere lichtsensitive Fläche hat in der Tat den Effekt, dass eine kleinere Brennweite wie eine größere wirkt. Ist doch logisch. Das beweist auch Dein Foto oben im Text. Die Digitalkamera zeigt vom gleichen Standpunkt aus einen kleineren Bildausschnitt als eine Kleinbildkamera, und zwar formatfüllend. Genau das macht ein Objektiv mit einer größeren Brennweite: einen kleineren Bildausschnitt formatfüllend abzubilden.
Viele Grüße,
Gerhard
Ein kleinere lichtsensitive Fläche hat nur den Effekt des Cropping, eine längere Brennweite holt aber den fotografierten Gegenstand heran. Das Foto im Text zeigt auch den Unterschied, um mit einer 50 mm Brennweite denselben Effekt zu erzielen, den ich mit einer 200 mm Brennweite schaffe – das Objekt vergrößert abzubilden -, muss ich zwingend dichter an das Objekt herangehen*.
Natürlich kannst du den rot markierten Ausschnitt und das Gesamtbild auf dieselbe Ausgabegröße bringen, wodurch auch eine Vergrößerung stattfindet. Das haben wir früher mit unterschiedlichen Objektiven in der Dunkelkammer am Vergrößerer gemacht. Allerdings verlieren wir dabei Information, da die Aufnahmepixel auf eine größere Ausgabefläche verteilt werden müssen – die Auflösung wird geringer, die Qualität [in der Ausgabe!] schlechter.
*Was dann allerdings die Perspektive, also die Verhältnisse der Objekte im Bild zueinander verändert.
Sorry, aber in einem Punkt muss ich widersprechen: Eine längere Brennweite holt den fotografierten Gegenstand nicht wirklich näher heran, sondern vergrößert lediglich einen kleineren Bildausschnitt auf das volle Aufnahmeformat. Perspektivisch ändert sich dabei gar nichts.
Wenn man eine Aufnahme mit einem 50-mm-Objektiv verlustfrei vergrößern könnte, würde man, was die Perspektive betrifft, keinen Unterschied zu einer Aufnahme mit einem Teleobjekt feststellen können (die Sache mit dem Schärfebereich ist eine andere).
Entscheidend bei der ganzen Geschichte ist, und da gebe ich Dir völlig Recht, die Auflösung des Sensors und die Schärfeleistung des Objektivs. Wenn die Verkleinerung der Aufnahmefläche nicht gleichzeitig mit einer Erhöhung der Auflösung einhergeht, dann hat man zwar den Teleeffekt (kleiner Bildausschnitt auf vollem Format), aber eben keine Qualität.