Menschen machen Fehler. Gerade wenn es um das Giessen von Sprache in Schrift geht. Es ist auch gar nicht ganz einfach, die vielfältigen Möglichkeiten verbaler Kommunikation, zu der ich der Einfachheit halber Mimik und Gestik zähle, in das ziemlich rigide Korsett einer “korrekten” Schriftform zu zwängen.
Die Idee hinter den dicken Grammatikwälzern und Wörterbüchern der Vorkriegszeit war, den Anwendern zu sagen, was sie alles falsch machen. Bürgerliche Arroganz halt: ‘So geht das und nicht anders!’ Ab den 1950ern begannen Linguisten von präskriptiv auf deskriptiv umzuschalten. Sie beschrieben, wie Sprache verwendet wird, geben lockere Empfehlungen über der Situation und dem Umfeld angemessene Verwendung aus. Dafür benutzen sie vor allem statistische Auswertungen, darüber, wer wo was sagt oder schreibt.
Einige müssen sich an die Vorgaben halten – Behördenmitarbeiter. Tun sie es nicht, kommen eventuell Briefe heraus, die nicht verordnungskonform sind, deren Abweichungen von Rechtschreib-, Grammatik-, oder Typografienormen zu teuren Klagen führen können. Die Unterform ‘Lehrer’ der Behördenangestellten nutzt deskriptive Grammatiken und Wörterbücher präskriptiv, um Noten verteilen zu können. An irgendwas muss man sich schliesslich halten. Wenn man andere bewerten will.
Binnenversal, oder: Wir werden alle mal gross
Neben dem “Deppen”apostroph und dem “Deppen”leerzeichen ist der Grossbuchstabe im Inneren eines Wortes ohne Nutzung eines Bindestrichs beliebtestes rotes Tüchlein von Sprachpuristen. Da gibt es zuerst einmal jene, die mit der Ästhetik von Worten argumentieren. Sie beschweren sich seit Ende der 1970er über den Versuch, männliche Kategoriebegriffe sparsam in geschlechtsneutrale zu verpacken. Sie verabscheuen TexterInnen, FotografInnen, FahrerInnen oder PatientInnen.
Einige Jahre später übernahmen Werber und Marketeers die Idee der Binnenversalie, um Markennamen zu kreieren. Das war auffällig und selbst bei generischen Begriffen schützbar. Im besten Fall verleiht es einem Teil des Kompositums Nachdruck, den der Teil nach herkömmlichen Regeln nicht hat, oder unterscheidet es von gleich geschriebenen Wörtern mit anderer Bedeutung. Ein gutes Beispiel dafür ist die Schreibung ‘HErr’, um den christlichen Gott in Texten vom normalen Herrn aus dem Rathaus abzugrenzen.
Natürlich schaffen Menschen dabei auch unglückliche oder ineffektive Wendungen. Wer Sprache kreativ in Schrift giesst, setzt sich ausserdem dem Hohn jener aus, die gerne Fliegenbeine zählen. Es ist schliesslich nicht einfach, die vielfältigen Möglichkeiten verbaler Kommunikation samt Mimik und Gestik in das rigide Korsett ordnungsgemässer Schriftform zu zwängen.
Doch weshalb sollte das Beispiel ‘NeuerÖffnung’ belegen, das Grossbuchstaben im Innern eines Wortes grundsätzlich Blödsinn seien? Diese spezifische Fehlleistung würde auch nicht besser, wäre der typografisch-grammatisch korrekte Bindestrich eingesetzt worden, ‘Neuer-Öffnung’. Es ist nur ein kleiner Denkfehler. Ich sehe sogar eine schöne Verwendung für NeuerÖffnung, falls nämlich ein gewisser Herr Neuer ein Sportgeschäft aufmacht.
Diskussionswürdig?
Hoppla, eine Überschrift, die mit einem Fragezeichen endet. Soll man ja nicht machen. Sie kennen den Grund, weshalb Fragezeichen in Überschriften bei Werbetextern und Journalisten alter Schuler verpönt sind? Nein? Nun, wir gehen davon aus, dass der Leser an der Stelle mit ‘Nein’ antwortet, weshalb er den Rest nicht mehr lesen will, weil er die Antwort ja schon kennt.
BinnenMajuskeln – und jede andere Art kreativer Sprach- und Schriftgestaltung – sind eine Geschmacksfrage. Man nutzt ihre Möglichkeiten einfach nicht. Es gibt auch niemanden unter uns, der alle gesammelten Wörter des Deutschen benutzt. Wozu auch? So wenig mich eine Diskussion davon überzeugen kann, Eisbein zu mögen, so wenig will ich Menschen davon überzeugen, Grossbuchstaben an Stellen zu verwenden, wo sie nicht normgerecht sind.
Ich kenne Menschen, die trotz der Empfehlungen zu Bindestrichen seit der zweiten Rechtschreibreform des Deutschen von 1996ff allergisch reagieren, wenn ein Wort nicht zusammen, sondern gekoppelt geschrieben wird. Ja, das gibt es. Denen kann man hundertmal erklären, dass Bindestriche dem Lesefluss gut tun, sie werden immer ein Beispiel [er]finden, dessen Bindestrich Bedeutungsprobleme aufwirft, statt sie zu lösen. Ja, das passiert.
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