Ich habe doch nichts zu verbergen!
Es gibt immer noch genug Menschen, die meinen, sie hätten nichts zu verbergen. Überhaupt, nur die Bösen™ müssten Angst vor Ausspähung an sich ganz harmloser Daten haben. Die Prämisse dafür ist selbstverständlich, dass die aufgezeichneten und ausgespähten Daten auch korrekt sind.
Ich habe das in den letzten Tagen mit Googles wahnsinnig zweitgefährlichster Datensammlung – nach StreetViews Fassadenfotografie –, der Location History mal angeschaut.
Am 9. November fuhr ich mit dem ICE von Hamburg nach Frankfurt am Main
Wie immer war mein Android-Smartphone samt der Funktionen GPS und WLAN eingeschaltet. Heraus kam obige Strecke, die den Startpunkt enthält, den Endpunkt, einige Zwischenstationen in Frankfurt – und einen Zwischenstopp in Basel, der um
kurz nach 10 Uhr stattfand. Gestartet war ich in Hamburg um 10 Uhr. Beachtliche Leistung der Deutschen Bahn!
Am 10. November fuhr ich mit dem ICE die umgekehrte Strecke, von FFM nach HH.
Hoppla, da wurde der Zug wohl umgeleitet über Dessau. Nein, wurde er nicht, wir fuhren die Hauptstrecke FFM->Kassel->Hannover->HH.
Losgegangen war es in Frankfurt gegen halb Drei am Nachmittag, in Dessau wurde mein Smartphone um
15 Uhr geortet – oder besser verortet, denn das lag doch ein ganzes Stück weg von Thüringen.
Endgültig bricht die Ortbarkeit per GPS und Netzwerk in Städten zusammen, wie einige Beispiele aus Hamburg zeigen.
Im grün markierten Bereich liegt die Strecke, die ich vom EEZ [ganz links] zur Hamburger Innenstadt [rechts im grünen Bereich] fuhr. Allerdings benutzte ich dafür die fette, gelb gezeichnete Hauptverkehrsstraße; schon gar nicht schoss ich plötzlich diagonal vom Bahnhof Altona über die Außenalster nach Barmbek – der blau markierte Bereich in der Mitte – und von dort dann zurück über Horn in die Innenstadt.
Fragen Sie mich nicht, was dieses hübsche Kunstwerk darstellt, ich war am gewählten Tag weder auf dem Friedhof [egal welchem] noch bin ich geflogen. Einzig der Teil an der Schnackenburgallee und die gesammelten Punkte an der Stresemannstraße liegen im Ansatz dort, wo ich mich zeitweise aufhielt.
Zu guter Letzt noch
das totale Ortungschaos im grünen Rechteck. Der Weg von mir zum EEZ und zurück ist ausnahmsweise mal sehr dicht an der Wirklichkeit.
Müssen wir Angst haben?
Unter technischen Gesichtspunkten ist das alles sehr amüsant. Doch was ist, wenn eine Sicherheitsbehörde, gar eine ausländische, die hochautomatisiert solche Daten auswertet, ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, an dem mich mein Smartphone und Google in Dessau sehen, dort außerdem eine kleine Terrorzelle erkennt? Was ist, wenn kurz nachdem ich – fälschlich! – in HH-Horn positioniert werde, dort eine Bombe hoch geht? Ganz abgesehen davon, dass weder Barmbek noch Horn in meine sonstigen Bewegungsmuster passen, ich also außergewöhnlich dort war.
Ja, wir müssen Angst haben. Nicht vor einer perfekten Technik. Nicht einmal vor der alles andere als perfekten Technik. Wir müssen Angst haben vor jenen, die dieser Technik vertrauen. Wir müssen Angst haben vor jenen, die interpretieren und falsche Schlüsse ziehen. Wir müssen Angst haben, dass solche Daten zu Interpretationen führen, an deren Schluss Granaten und Bomben auf ‘eindeutige’ Ziele geworfen werden, auf Ziele, die wegen der Bomben Terroristen, Kombattanten und Sympathisanten sein müssen.
Denn es kann nicht sein, was nicht sein darf.
PS: In weniger zerstörerischem Rahmen finden wir übrigens dasselbe bei denen, die Nutzer von Peer-to-Peer- oder Streaming-Plattformen abmahnen. Auch IP-Adresslisten können fehlerhaft sein.
Ähnliches habe ich vor kurzem ebenfalls erlebt, allerdings mit AUSgeschaltetem GPS, was das ganze noch sonderbarer macht. Hatte hier http://seeliger.cc/2014/entnetzung-und-endzeit-2014/#comment-6760 darüber auch erzählt. Google fasst also Daten an anderer Stelle ab. Wie gesagt, jegliche Ortungsdienste sind abgeschaltet.