Wir brauchen V-Leute, um die NPD und andere gewaltbereiten Organisationen zu unterwandern, damit mögliche Gewalttaten verhindert werden können. So die These, die Beckstein, Uhl, Schünemann und andere dieser Tage verbreiten. Nach den zufällig aufgeflogenen Taten einer gewalttätigen Nazibande und deren Verknüpfungen zu Sicherheitsbehörden, scheint das fraglich.
Gehen wir kurz ein paar Schritte zurück. Vor ungefähr zehn Jahren stellten Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat den Antrag, die NPD als Partei zu verbieten. Zwei Jahre später scheiterte das Ganze erbärmlich vor dem Bundesverfassungsgericht, weil für die Richter nicht ganz klar war, wer in der NPD eigentlich echter Nazi war und wer verdeckter Ermittler. Die zuständigen Behörden wollten dazu keine genaue Aufklärung geben, weil es die Arbeit – und womöglich das Leben – der V-Leute gefährdet hätte.
Danach wurde erst heftiger, dann immer mal in homöopathischen Dosen darüber debattiert, ob es nicht eine gute Idee wäre, die Ermittler so weit abzuziehen, dass ein Verbot der NPD möglich wäre. Das führte zu nichts und spielte damit jenen in die Hände, die argumentierten, man hätte eine zugelassene Partei voller V-Leute besser im Griff, als einen Untergrundladen.
Natürlich ist das Verbot einer Partei immer eine schwierige Angelegenheit – außer man lebt unter Adenauer und die zu verbietende Partei ist kommunistisch, aber sonst harmlos. Wer freie Meinungsäußerung in der Verfassung hat, sollte sich schwer tun, Gruppen zu verbieten, deren Meinungsspektrum an den Extremen der Normalverteilung liegt. Allerdings haben wir keinerlei Problem damit, Äußerungen, die menschenverachtend sind, zu Gewalt oder Straftaten aufrufen, nicht dem allgemein anerkannten guten Geschmack folgen, zu verbieten. Dafür gibt es reichlich Paragrafen im BGB.
Es ist auch klar, dass weder die Mitglieder einer Gruppe noch die Gruppe selbst verschwinden, nur weil ein Verbot ausgesprochen wurde. Oder? Aber darum soll es in diesem Text nicht gehen.
Die NPD wurde also nicht verboten, erhielt weiter Geld aus der staatlichen Parteienfinanzierung, das möglicherweise auch Aktionen zufloss, die alles andere als schön oder zulässig sind. Doch wir hatten die rechtsextreme Szene ja unter Kontrolle, den es gab ja reichlich V-Ermittler, bis in den Vorstand vielleicht. Vor nicht einmal vier Wochen verlangten Innenpolitiker weitere Kompetenzen für ihre Verdeckten, sie sollten ‘szenetypische’ Straftaten begehen dürfen. Das finden wir u.a. in Artikeln in der taz oder im Focus.
Jahrelang töteten Rechtsextreme Menschen. Jahrelang planten sie, Angst und Schrecken unter Deutschen unterschiedlicher Herkunft zu verbreiten. Jahrelang bastelten sie Bomben, legten sie vielleicht auch welche. Und die Jungs und Mädels vom Verfassungsschutz, die ja ach so gut in der Szene vernetzt waren und wegen ihrer Ermittlungserfolge auf keinen Fall aufgegeben werden durften, wussten nichts davon.
Ich unterstelle nicht, dass “die” Sicherheitsbehörden aktiv beteiligt waren. Ich unterstelle auch nicht, dass einzelne mehr Nazi als Ermittler waren. Die Fakten sprechen aber nicht dafür, dass die verdeckten Ermittler sonderlich effektiv sind, denn die Gewalttaten, vornehmlich gegen Menschen, nicht Autos und Müllcontainer und Schaufensterscheiben, die fanden statt. Jahrzehntelang.
Zu V-Leuten gibt es eine schöne Geschichte aus der Schweiz: Da wurde ein V-Mann ins Islamzentrum in Genf eingeschleust, der dann aber zum Islam konvertierte und überlief (Untersuchungsbericht). Das ganze war, weil halt in einem Schweizer Rahmen, relativ harmlos, obwohl viele wilde Gerüchte zirkulierten, wie man aus dem Untersuchungsbericht unschwer erkennen kann.
Ohne die Situation in Deutschland genau zu kennen scheint, das Problem der Verstrickungen eher endemisch und strukturell. Dies macht es erst richtig gefährlich.