Von einem der auszog, das Internet zu schmähen

[Dies ist eine ergänzende Antwort auf Klaus Jarchows Artikel zu Frank Schirrmachers neuerlichem Abgesang auf die Intelligenz und Kultur: zur Vergesslichkeitshypothese und über den Lauf der Zeit]

Der Kulturpessimist nölt, ‘Ich komme nicht mehr mit!’, und wirft dies der Welt vor. Für ihn war die Erfindung feuchter Tonscherben, die mit einem Griffel beschrieben wurden der Untergang der Welt. Er hasste den Druck, erst den mit ganzen geschnitzten Seiten, dann noch mehr den mit beweglichen Lettern. Der Kulturpessimist verstand das Grammophon nicht, das Radio, TV. Dann den Computer und jetzt das Internet. Der Kulturpessimist war aber schon von der Welt abgehängt, als aus Broadsheets Zeitungen wurden – ‘Muss das denn sein, so viele verschiedene Geschichten auf so vielen Seiten. Früher gab es doch auch nur ein Thema auf höchstens zwei Seiten!?’

Der Kulturpessimist weiß, die Welt ist schuld, denn sie dreht sich immer schneller, wird immer größer. Beides ist unsinnig, sie dreht sich nicht schneller, sie wird auch nicht größer. Wir lernen bloß dazu.

Der Kulturpessimist will dabei sein. Immer. Er kann nicht abschalten, er will es nicht. Denn er ist der mit der Meinung. Am liebsten hat er die übernommen von jenen, die ihm vorher auswählen, welches Datum er kennen muss, was wichtige Information ist. Er kennt auch nichts Anderes. Seine Meinung basiert auf Nichtwissen, auf Ignoranz, er beachtet nur, was ihm Tagesschau und FAZ vorkauen. Oder Faux News und BALD.

Frank Schirrmacher aber ist nicht der typische kulturpessimistische Konsument, er gehört zu jenen, die auswählen und aus ihrer Deinung unsere Meinung machen wollen. Aber genau das funktioniert nicht mehr, wenn jeder zu jeder Zeit Nachrichten und Einschätzungen von jedem anderen bekommen kann. Frank Schirrmacher kulturheult nicht nur so vor sich hin, wie Onkel Egon, der sich alt fühlt.

Frank Schirrmacher kämpft. Er ist ein Ritter, der sich gegen den bürgerlichen Pöbel behaupten muss. Das Reich dieses Herren und seiner feudalen Mitstreiter ist der Informationspool. Sie hatten ihn unter sich aufgeteilt, es gab hier mal ein kleineres Scharmützel, dort einen Erbfolgestreit, doch er gehörte ihnen. Bis Bruder Google kam und den armen Menschen zeigte, dass die Welt größer ist. Der Pool nur ein winziges Becken, gespeist aus dem riesigen Ozean voller Daten, in dem alle umsonst baden können.

Frank Schirrmachers Kulturpessimismus mag in Teilen echt sein, er ist vielleicht wirklich überfordert, weil er glaubt, er müsse überall dabei und vorneweg sein. Hauptsächlich aber ist es ein Gefecht gegen den Verlust der Deutungshoheit.

Zu einer Zeit, in der die Rüstung längst verrostet, der Helm verschwunden und durch ein Barbierbecken ersetzt ist. In der die Riesen Windräder sind. Und Dulcinea nur ein Stück Papier, hinter dem einmal ein kluger Kopf steckte.

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